Januar 2020: “Save My Grandma” in Kelkheim angekommen

Das in 2018 von der Jugendarbeit Hofheim entwickelte und erstmals im November 2018 in 8. Klassen der Main-Taunus-Schule (MTS) sowie in 2019 an der Gesamtschule am Rosenberg in Hofheim und der MTS durchgeführte Präventionsprojekt „Save My Grandma“ wurde nach längerem Vorlauf am 22.01.2020 in einer 8. Klasse des Privatgymnasiums Dr. Richter in Kelkheim gestartet. Neu ist hier, dass Schüler des Gymnasiums die Evaluation selbstständig übernehmen. Hierzu wird durch die Schüler eine App entwickelt, welche eine Befragung der Großeltern und eine Bewertung durch die am Projekt teilgenommenen Schüler per Smartphone ermöglicht.

Projektname

Die Projektentwickler aus Hofheim entschieden sich für den Titel „Save My Grandma“, weil das besser klingt als „Save My Grandparents“ oder „Schütze meine Großeltern“. In jedem Fall geht es um beide Großelternteile, da Oma und Opa im Fokus der Trickbetrüger sind.

Ausgangslage

Die Notwendigkeit für ein solches Präventionsprojekt ergibt sich, weil immer mehr Senior/innen Opfer von gezielter Kriminalität zum Nachteil älteren Menschen werden. Am bekanntesten ist dabei der sogenannte „Enkeltrick“, aber auch Taschen- und Trickdiebstahl, falsche Gewinnversprechungen, falsche Polizisten und Handwerkern, Überrumpelung an der Haustür und Schockanrufe sind gängige Methoden.

Ältere Menschen werden aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft, aber auch wegen nachlassender geistiger und körperlicher Fähigkeiten, gezielt als Opfer ausgewählt.

Während die Gesamtkriminalität seit Jahren zurückgeht, steigen die Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. Im Jahr 2017 gab es 61 Enkeltrick-Versuche im Main-Taunus-Kreis, vier Delikte wurden vollendet mit einem Schaden von 70.000 €. In 2018 wurden 91 Enkeltrickversuche gemeldet, wiederum vier Opfer mit einem Schaden von 54.000 €.

Noch dramatischer sind die Fälle mit „Falschen Polizisten“. In 2017 wurden rund 800 Anrufe „Falscher Polizisten“ gemeldet, denen acht Senioren und Seniorinnen auf den Leim gingen und an die Abholer Geld und Wertgegenstände für insgesamt 600.000 € übergaben. In 2018 kam es zu 400 Anrufen, drei Senioren/-innen wurden Opfer mit einem Schaden von 160.000 €.

Zielsetzung

Um Senior/innen vor Straftaten dieser Art zu schützen, wird das Thema gezielt in die Familien getragen, um eine möglichst gute Aufklärung zu bewirken. Dies soll über Jugendliche erreicht werden, die im Rahmen von (Schul-) Workshops über diese Thematik aufgeklärt werden, mit dem Ziel, über Gespräche innerhalb der Familien möglichst viele Senioren/innen zu erreichen.

Kooperationspartner

Träger des Projektes in Kelkheim ist das Privatgymnasium Dr. Richter, unterstützt durch die Präventionsräte Kelkheim und Main-Taunus-Kreis mit den Sicherheitsberatern für Senioren und die Polizeistation Kelkheim.

Zielgruppe

Unmittelbare Zielgruppe sind Schüler zwischen 13-19 Jahren sowie mittelbar ihre Familien und insbesondere ihre Großeltern. Da sich in Hofheim die Durchführung mit den 8. Klassen bewährt hat, wird dies in Kelkheim fortgeführt.

Umsetzung an der Schule

Die Projektkoordination übernahm die Schulleiterin Marion Polydore persönlich. Die 8. Klasse wurde durch Fachlehrer Markus Bähr betreut.

V.l.: Fachlehrer Markus Bähr, Sicherheitsberaterin für Senioren Rosemarie Sprungk, Polizeidirektor i.R. Jürgen Moog und Polizeihauptkommissar Jörg Zollmann

Der Geschäftsführer des Präventionsrates MTK Jürgen Moog moderierte die vorgesehenen beiden Schulstunden, unterstützt von der Kelkheimer Sicherheitsberaterin für Senioren Rosi Sprungk und dem stellvertr. Leiter der Polizeistation Kelkheim, Polizeihauptkommissar Jörg Zollmann.

Nach der Vorstellung der Referenten und der Thematik wurden die Schülerinnen und Schüler gebeten, die Diebstahls- und Betrugsmaschen zu nennen, von denen sie bereits gehört haben. Bis auf eine Gruppe der diversen Betrugsmaschen waren diese den Schülerinnen und Schüler bereits bekannt.

Anschließend informierten die Referenten mit Beispielen über die Straftaten zum Nachteil älterer Menschen. So schilderte die 73jährigen Sicherheitsberaterin Rosi Sprungk eine Art Enkeltrick am Telefon, den sie selbst zu Hause erlebte.

Die Gespräche zogen sich über fünf Stunden hin. Sie wurde im Verlauf durch einen Polizeibeamten gecoacht, und ihr Haus wurde von Polizeibeamten verdeckt umstellt. Außerdem stellte sie die „falschen Gewinnversprechen“ vor, bei denen sich die Betrüger als Rechtsanwalt oder Notar ausgeben und behaupten, dass man viel Geld oder auch ein Auto gewonnen hat. Um den Gewinn zu erhalten, muss jedoch eine „Gebühr“ gezahlt werden.

Zur Fallgruppe „Schockanrufe“ erläuterte Polizeihauptkommissar Jörg Zollmann, dass die Leute mit angeblichen Verkehrsunfällen und Straftaten konfrontiert werden, bei denen ein hoher Geldbetrag fällig ist, um den Verwandten aus dem Gewahrsam der Polizei zu holen.

Danach erklärte Herr Zollmann die Masche „Falsche Polizisten“, bei der speziell ältere Menschen aufgrund ihrer kurzen Telefonnummer oder ihres alten Vornamens von ausländischen Callcentern angerufen werden. Die Anrufer geben sich als Polizisten oder Staatsanwälte aus, die einer Bande von Einbrechern auf der Spur sind und bereits Festnahmen gemacht haben. Dabei wurde eine Liste gefunden, auf der der Angerufene ganz oben steht. Es wird Vertrauen, aber auch erheblicher Druck aufgebaut mit dem Ziel, dass Geld und Wertsachen zur Abholung bereitgelegt werden.

Das Ziel „Falscher Handwerker“ ist es, unter Vortäuschung einer beruflichen Funktion, z.B. als Mitarbeiter der Wasserwerke, Stromableser oder auch der Kirche, in die Wohnung ihrer Opfer zu gelangen, um heimlich Wertsachen und Geld zu entwenden.

Polizeidirektor i.R. Jürgen Moog stellte die Fallgruppe „Ausnutzen der Hilfsbereitschaft“ vor, bei der es ebenfalls darum geht, in die Wohnung der Opfer zu kommen. Hierzu wird vorgetäuscht, dass Hilfe erforderlich ist, z.B. ein Glas Wasser für eine Tablette, ein Zettel, um dem Nachbarn eine Nachricht zu übermitteln oder auch ein Paket. In der Wohnung werden dann Geld und Wertsachen entwendet.

Bei der Fallgruppe „Unseriöse Haustürgeschäfte“ suchen die Täter gezielt ältere Menschen auf um ihnen an der Tür unglaublich günstige Angebote zu machen, z.B. für ein Zeitschriftenabonnement, einen Staubsauger oder einen Teppich. Aus Gutgläubigkeit, Mitgefühl oder auch Angst wird der Vertrag unterschrieben oder ein völlig überteuertes Produkt gekauft.

Zum Abschluss des Infoteils wurde ein Film über den Enkeltrick gezeigt.

Die zweite Unterrichtsstunde begann mit einer Gruppenarbeit, bei der die Schülerinnen und Schüler gebeten wurden, sich Tipps für ihre Großeltern zu überlegen, damit diese nicht auf die Maschen der Trickdiebe und Betrüger hereinfallen. Jede Gruppe musste sich mit einer Masche beschäftigen, Tipps auf Flipchart-Papier schreiben und die Ergebnisse anschließend allen vortragen.

Themen waren zuvor genannten Betrugsmaschen „Falsches Gewinnversprechen“, „Schockanruf“, „Enkeltrick“, „Ausnutzen der Hilfsbereitschaft“, „Unseriöses Haustürgeschäft“ und „Falscher Handwerker“.

Die Schülerinnen und Schülern erhielten einschlägiges Informationsmaterial, mit dem sie zuhause in der Familie mit ihren Eltern und Großeltern die fiesen Straftaten der Trickdiebe und -betrüger behandeln können und insbesondere ihre Großeltern entsprechende Tipps geben können.

Das direkte Feedback der Schülerinnen und Schüler zu den außergewöhnlichen beiden Schulstunden fiel auch am Privatgymnasium Dr. Richter sehr positiv aus.

Evaluation

Da die Evaluations-App noch nicht vorlag, erhielten alle Schülerinnen und Schüler zwei Evaluationsbögen, einen zum Selbstausfüllen und einen, der gemeinsam mit den ältesten Personen der Familie ausgefüllt werden soll. Dies muss dann nochmal mit der App nachvollzogen werden.

Fazit und Ausblick

Der Auftakt von „Save My Grandma“ am Privatgymnasium Dr. Richter in Kelkheim ist voll gelungen. Die Evaluation durch die Schüler ist ein Novum, das auch für andere Schulen interessant sein dürfte. Das Projekt selbst stellt eine hervorragende Ergänzung der derzeitigen Strategie des Präventionsrates und der Polizei dar, mit Information und Sensibilisierung der potentiellen Opfer den Betrügereien vorzubeugen. Neben den Sicherheitsberatern für Senioren, welche die älteren Menschen „auf Augenhöhe“ sensibilisieren, tragen hier die Enkel das Thema an ihre Eltern und vor allem ihre Großeltern heran.

Fortsetzung ist vorgesehen – auch an anderen Kelkheimer Schulen.

Jürgen Moog

 

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