Im Plenarsaal des Landratsamtes in Hofheim fand am 24.11.11 eine Fachveranstaltung zu den Gefahren des Internets mit großem Erfolg statt, die durch den Arbeitskreis Sicherheit an Schulen initiiert und vom Verein „Bürger und Polizei – für mehr Sicherheit“ e.V. in Zusammenarbeit mit dem Präventionsrat Main-Taunus verantwortlich organisiert wurde.
Insgesamt lauschten mehr als 450 Personen den Ausführungen des Moderators Wolfgang Gores, Leiter E 4 – Prävention, und den Vorträgen der vier Referenten auf dem Podium..
Petra Kain, ebenfalls von E 4, berichtete in ihrem Vortrag über die gefährlichen Seiten des Internets und stellte dies auch anschaulich anhand von Bildern für die gewählte Zielgruppe Eltern und Lehrer dar. Durch den Kontakt im Rahmen der Prävention stellt sie immer wieder fest, dass die meisten Eltern keine Vorstellung über jugendgefährdende Inhalte ( Porno, Snuff etc.) im Internet haben und wie leicht man auf diese Seiten gelangt. Unterschiedliche Surfgewohnheiten der Eltern und Kinder und die schnelle Entwicklung des Internets, verbunden mit einer Portion von Desinteresse seitens der Eltern, verhindern sehr häufig, dass zu Hause Gespräche über diese Themenwelt mit den Kindern geführt werden.
Denn der Alltag eines Teenagers sieht heute oftmals so aus: Der Fernseher läuft, SMS an die Freunde gehen raus, Twitter meldet die aktuellen Erlebnisse der kleinen Schwester und in Facebook werden die neuesten Fotos der letzten Party oder von sich selbst hochgeladen. Wenn diese – teilweise sehr intimen Bilder – dann außer Kontrolle geraten, ist das Entsetzen bei den Eltern und die Demütigung bei den Jugendlichen unendlich groß, und es wird erwartet, dass die Polizei schnell Abhilfe schafft. Anhand von aktuellen Beispielen konnte Frau Kain dieses Problem verdeutlichen. Ein 13-jähriges Mädchen hatte ihrem 14-jährigen Freund, der ihre Liebe nicht erwiderte, ein Nacktbild von sich geschickt und dieser hatte es direkt ins Internet gestellt. Dies führte dazu, dass die junge Dame versuchte sich das Leben zu nehmen… Bei diesen Schilderungen war es sehr ruhig im Plenum.
Über den Nutzen und die Nebenwirkungen für die Kids, die diese neuen Medien wie selbstverständlich verwenden, referierte der IT-Fachberater für Jugendmedienschutz am Staatlichen Schulamt Wiesbaden/Rheingau-Taunus, Günter Steppich. Er stellt den Anwesenden zunächst einige Fragen, damit diese kritisch über die zuhause vermittelte Medienkompetenz reflektieren konnten.
• Kennen Sie die Risiken des Internets?
• Habe ich mein Kind darüber aufgeklärt?
• Ist der PC-kindersicher?
• Bin ich zuhause, wenn mein Kind online ist?
• Wie präsentiert es sich in den Online-Communities?
• Würde es mir negative Erfahrungen berichten?
Weiterhin berichtete er über die wissenschaftlich belegten Zusammenhänge von Bildschirmzeiten und Schulversagen, insbesondere bei Jungen, und darüber, dass emotionale Medienerlebnisse die Gedächtnisleistung negativ beeinflussen können. Auch räumte er mit dem vermeintlichen Mythos Multitasking auf. Von den Jugendlichen werden heutzutage nachmittags mehrere Dienste parallel genutzt, fast gleichzeitig wird kommuniziert, gespielt und die Hausaufgaben werden erledigt; die Mediennutzung geschieht nebenbei und nicht ausschließlich! Sich zu konzentrieren bedeutet aber, die Aufmerksamkeit aller Sinne auf eine bestimmte Aufgabe zu lenken. Der Mensch ist NICHT multitaskingfähig, er kann mit seinen beiden Hirnhälften maximal zwei Aufgaben parallel erledigen, wenn diese komplett unterschiedliche Anforderungen stellen (z.B. eine Denkaufgabe lösen und gleichzeitig eine automatisierte Bewegung durchführen.) Anhand dieser Beispiele bzw. Auswirkungen des intensiven Medienkonsums zeigte er deutlich auf, wie wichtig es ist, dass Eltern UND Schule sich gemeinsam des Themas Medienkompetenz annehmen. Sehr zu empfehlen in diesem Zusammenhang ist die Internetseite von Herrn Steppich: www.medien-sicher.de
Oberstaatsanwalt Rainer Franosch, von der Zentralstelle für Internetkriminalität mit Dienstsitz in Gießen, berichtete über das Ermittlungsverfahren zur Internetseite „isahregossip“. Es handelte sich hierbei um ein anonymes Forum, in welchem vor allem Schüler diskriminierende Textbeiträge, sogenannte Postings, veröffentlichten – ohne sich Gedanken über die Gefühle der Opfer zu machen. Cybermobbing pur! Da die Seite auf ausländischen Servern gehostet wurde, die Täter äußerst konspirativ vorgingen und die fehlende Vorratsdatenspeicherung sowie frei verfügbare Anonymisierungsdienste das Verfahren gegen die Seitenbetreiber nicht gerade erleichtern, konnten die Täter bisher nicht identifiziert werden. Man vermutet jedoch, dass es sich um junge Täter, entweder Oberstufenschüler oder Studenten aus dem Rhein-Main-Gebiet handelt – eben die Generation, die mit dem Computer und sehr viel Wissen darüber – aufgewachsen ist!
Zum Thema Filesharing erläuterte Herr Franosch, dass es vielen Schülern zwar bekannt sei, dass das unerlaubte Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke strafbar ist, dass aber die Wenigsten an die zivilrechtliche Haftung denken, die zu der Strafbarkeit hinzukommt! Da Eltern, im Rahmen der Gefährdungshaftung, für den Internetanschluss zivilrechtlich haften müssen, ist zusätzlicher Ärger zuhause vorprogrammiert, wenn die Rechnung der Musikindustrie über darauf spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien ins Haus „flattert“.
Dr. Nawid Peseschkian, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie & Psychotherapie rundete den Abend mit Informationen aus wissenschaftlicher Sichtweise gelungen ab. Er zeigte deutlich auf, dass jeder Mensch auf Dauer nur gesund, zufrieden, glücklich und damit auch letztlich leistungsfähig sein kann, wenn er sich in Balance befindet und in seiner „Mitte“ ruht. Werden die Lebensbereiche Körper/Sinne, Phantasie/Zukunft, Kontakt und Leistung über längere Zeit einseitig betont, gerät das Leben aus der Balance und man gelangt beispielsweise in eine Suchtphase. Hierbei handelt es sich insbesondere immer öfter um Kinder und Jugendliche, die letztendlich bei ihm in der Praxis landen. .
Ein junges Mädchen sei kürzlich bei ihm in Behandlung gewesen, weil ihre Mutter meinte, sie sei „Handysüchtig“, da sie den ganzen Tag auf ihrem Handy herumtippe. Im Gespräch mit der Tochter stellte sich heraus, dass die Mutter nicht mehr am gemeinsamen Essen teilnimmt, da sie nur in Facebook sei…
In unserer Gesellschaft ist dieses neue Massenphänomen angekommen, eine neue Kommunikationskultur hat sich entwickelt, der Erwachsene berechtigterweise kritisch gegenüber stehen sollten. Jugendliche sind im Besitz eines technischen Wissens um Kommunikationsformen, das sich absetzt von der Brief- und Schriftkultur der Eltern und den bisherigen Massenmedien. Computerspiele, Chatrooms, Instant Messenger und Online Communities gehören mittlerweile zum Medienalltag unserer Gesellschaft dazu. Allerdings sind Eltern und Pädagogen oft verunsichert, da Kinder und Jugendliche diese Medien besser beherrschen als sie selbst und ihnen meist in der Anwendung weitaus überlegen sind.
Die Frage, ob das Internet nun ein Fluch oder ein Segen ist, konnte an diesem Abend nicht abschließend geklärt werden, obwohl die Referenten und auch der Moderator Herr Gores mehrfach auf den positiven Nutzen hingewiesen hatten. Zweifelsfrei nahmen alle Gäste des Abends die Botschaft mit, dass das Internet Gefahren in sich birgt, die man nicht unterschätzen sollte!!
Text: Petra Kain, PP WH, E4
Fotos: Jürgen Moog, PD Main-Taunus
Weitere Informationen zum Thema:
• Beratung für Eltern sowie Schulstunden zu den Gefahren des Internets bietet der Jugendkoordinator der Polizeidirektion Main-Taunus Uwe Thöne, Tel.: 06192 / 2079-232
• Medienkompetenzprogramme für Lehrer und Schüler offeriert das Medienzentrum Main-Taunus unterhttp://medienzentrum-main-taunus.de/internet.htm
• Medienkompetenzprojekte für Schüler finden Sie auch unter dem Themenbereich: Primäre Kriminalprävention
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