November 2013: Fortbildung für Ordnungspolizisten zur Verbesserung der sozialen Kompetenz im Umgang mit jungen Leuten –

In Fortsetzung der Beschulung von Ordnungspolizisten der 12 Kommunen des Main-Taunus-Kreises in 2011 wurden vom 18. bis 27.11.2013 an vier Vormittagen insgesamt 45 Ordnungspolizisten durch den Diplom Sozialpädagogen Markus Müller im Umgang mit Jugendlichen unterrichtet.

Foto1: Diplom Sozialpädagoge Markus Müller

Markus J. Müller
Dipl. Sozialpädagoge (FH) / Sozialtherapeut
Jahrgang 1970, Vater eines Sohnes
Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann
Studium der Sozialpädagogik (kath. FH Mainz)
Ausbildung in Systemischer Beratung und Therapie (Systemwerkstatt Darmstadt), Hypnotherapie (A. Mecke, Heidelberg), Gestaltberatung (Gestalt Kolleg, Freiburg). Sozialtherapeut (GWG, VdR anerkannt), FreD Trainer (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten), Multiplikator der Kampagne „Gewalt – Sehen – Helfen“, SKOLL – Ausbilder und Trainer (Selbstkontrolltraining) Seit 1996 tätig in den Bereichen Jugend- und Suchtberatung, Therapie und Prävention im Rhein-Main-Gebiet. Mitarbeiter im Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe für den Rheingau-Taunus-Kreis. Als freiberuflicher Referent/Trainer seit 2003 in ganz Deutschland aktiv und in eigener Praxis als Heilpraktiker für Psychotherapie tätig seit 2008.

Foto 2: Polizeidirektor Jürgen Moog erläutert Jugenddelinquenz aus polizeilicher Sicht

Geprägt ist die Delinquenz von Jugendlichen und Heranwachsenden durch

  • die statistische Auffälligkeit (etwa dreifach shäufig wie der Gesamtdurchschnitt)
  • die negative Erscheinung des Erwachsenwerdens (normal, quer durch alle Schichten, episodenhaft)
  • die Risikofaktoren (Bekanntschaft mit kriminellen Freunden, eigene Opfererfahrung, elterliches
    Erziehungsverhalten mit Gewalt, …)
  • die überproportional hohe Beteiligung an den Einzeldelikten Sachbeschädigung, Körperverletzung,
  • Ladendiebstahl, schwerer Diebstahl und Raub
    den Tatort meist in der Wohnortgemeinde.

Als Erfolg der gemeinsamen Anstrengungen im MTK wertete Jürgen Moog, dass die Delinquenz der Jugendlichen vom 3,2 fachen der Durchschnittsdelinquenz in 2009 auf das 2,6 fache in 2012 zurückging und insbesondere die Sachbeschädigung im gleichen Zeitraum von 1695 Fälle um 500 auf 1195 Fälle reduziert wurde. Die teilnehmenden Ordnungs- und Vollzugspolizisten bestätigten in ihrer Wahrnehmung diesen deutlichen Rückgang.

Rund eine Stunde nahm die Vorstellungsrunde in Anspruch, weil sie sich mitten im Thema bewegte. Markus Müller belegte bei seiner Vorstellung seine hohe Kompetenz im Umgang mit Jugendlichen durch Episoden aus seinem Berufsleben. Die Ordnungs- und Vollzugspolizisten/-innen zeigten auf, wie sie in den Beruf fanden, welches Spektrum ihre Arbeit umfasst und welche Erfahrungen sie insbesondere mit jungen Leuten hatten.

Foto 3: Vorstellungsrunde

Unter den teilnehmenden Ordnungspolizisten/-innen waren nur vier Frauen. Ein Ordnungspolizist hatte erst vor wenigen Wochen seine Arbeit beim Ordnungsamt aufgenommen, der Dienstälteste ist bereits 29 Jahre Ordnungspolizist. Das Altersspektrum reicht von 28 bis 61 Jahren. Die meisten kommen aus dem Sicherheitsgewerbe, dabei waren jedoch auch ein Einzelhandelskaufmann, ein Zentralheizungsbauer, ein Konstruktionstechniker, ein Werkzeugmacher, ein Umweltschutztechniker, ein Landmaschinenmechaniker, ein Koch, ein Schwimmmeister und ein Kampfkunstlehrer. Insgesamt sind alle zufrieden mit ihrem Beruf, beklagen aber die kurze Ausbildung von nur 6 Wochen und Defizite bei der Rechts- und Handlungssicherheit. Bis auf wenige Ausnahmefälle halten sie die Zusammenarbeit mit den Beamten der Polizeistationen für gut. Das Aufgabenspektrum, die Einsatzzeiten und die Vorgaben insbesondere zum Umgang mit Jugendlichen sind in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich. Zum einen werden Ordnungspolizisten, angepasst an das Auftreten junger Leute, in den späten Abendstunden und an Wochenenden eingesetzt; zum anderen wird der Streifendienst der Ordnungspolizisten weitgehend auf die Geschäftszeiten beschränkt und ein Einschreiten gegen Jugendliche untersagt.

Hauptthemen waren diesmal die Motivation junger Leute, deren Risikobereitschaft und in diesem Kontext die Sucht nach Drogen und Alkohol. Dabei wurde auch die Entwicklung der Jugendkultur einbezogen.

Zum Einstieg in den Workshop wurden die Teilnehmer gebeten, auf runden Zetteln („Bierdeckelstichwort“) ihren letzten Rausch mit einem Wort zu beschreiben. Die Zettel wurden in die Mitte des Teilnehmerkreises gelegt und aus dem Haufen von jedem blind ein Zettel gezogen. Anschließend wurde über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und positive/negative Bewertungen diskutiert.

Foto 4: Beschreibung des Rauschs auf „Bierdeckeln“

In drei Kleingruppen wurden Gründe, Wirkungen und Folgen des Alkohol- und Drogenkonsums stichwortartig auf Karten erfasst und anschließend an eine Pinnwand geheftet.

Foto 5 - 7: Beschreiben der Karten zum Thema Alkohol-/Drogenkonsum

Hierbei wurden interessante Zusammenhänge und somit Erklärungen für Suchtverhalten deutlich.

Foto 8 - 10: Clustern der Karten zum Thema Alkohol-/Drogenkonsum

Eine intensive Diskussion fand ihren Ausgangspunkt in der Aufstellung Risiko. Die Teilnehmer wurden hierbei gebeten, sich gemäß ihrer persönlichen Einstellung zum Begriff Risiko im Raum zu verteilen. Die Ecken des Raumes stellten „Gefahr“, „Unsicherheit“, „Herausforderung“ und „Kick“ dar. Natürlich waren auch Zwischenpositionen möglich.

Foto 11 - 13: Ausdruck von Risikobewusstsein durch Standort im Raum

Markus Müller stellte mit „Risky Shift“ ein weiteres Modell zur Verteilung von Rollen in Gruppen vor dem Hintergrund risikopädagogischer Überlegungen vor. Hierzu legte er in der Mitte des Raumes Karten mit den Positionen „Vordenker“, „Macher“, „Mitmacher“ und „Skeptiker“ aus. Über die für die Gruppendynamik wichtigen Rollen wurde gerade im Hinblick auf die Erfahrung der Teilnehmer mit dem Ansprechen und dem Verhalten junger Leute intensiv diskutiert.

Foto 14: Diskussion über die Positionen in einer Gruppe und die sich daraus ergebenden Handlungsoptionen“

Weitere Aspekte zum Verhalten Jugendlicher und zum Umgang mit ihnen waren Erläuterungen zur jugendkulturellen Orientierung (Patch-Work Lifestyle, Jugendsubkulturen, Zugehörigkeit, Symbole, …) sowie das Modell „Gewalt, Sehen, Helfen“.

Foto 15: Entspannte Atmosphäre

Ziele der Beschäftigung mit den Modellen und Aspekten waren gute Gesprächsstrategien und Konfliktvermeidung / Konflikthandhabung. Als Konflikt vermeidende Faktoren wurden das „Siezen“, die Begründung der Anwesenheit und das „Ernst nehmen“ der Jugendlichen ausgemacht. Wichtig ist dabei, dass eine Beziehung aufgebaut wird und das „auf Augenhöhe“, damit die eigentlichen Gesprächsinhalte transportiert werden können. Hilfreich sind Respekt, Blickkontakt, Geduld und Zielorientierung. Die Ansprache sollte kurz und klar sein und ggf. wiederholt werden. Frontbildung lässt sich vermeiden, wenn man sich hinsichtlich des Einschreitens auf eine höhere Autorität (Satzung der Stadt, Auftrag des Ordnungsamtes, pp.) beruft. Keinesfalls sollte man Jugendliche vor ihrer Gruppe bloßstellen; Ziel führend ist vielmehr, wenn der betreffende Jugendliche zur Seite genommen wird, um den Sachverhalt und eventuelle Verhaltensmaßgaben zu besprechen. Außerdem sollte man den jungen Leuten die Zeit lassen, um zu reagieren, z.B. ihren Müll freiwillig wegzuräumen. Die Ordnungs- und Vollzugspolizisten/-innen trugen aus ihrer Praxis eine Fülle von Beispielen mit o.a. Gesprächsstrategien bei.

Foto 16: Gruppenbild

Foto 17: Gruppenbild

Foto 18: Gruppenbild

Foto 19: Gruppenbild

Fazit und Ausblick

Das Feedback der Ordnungs- und Vollzugspolizisten/-innen brachte den Fortbildungsveranstaltungen und insbesondere dem Dipl. Sozialpädagogen Markus Müller großes Lob und hohe Anerkennung, weil sie zum Umgang mit den Jugendlichen viel Interessantes und für ihre Aufgabenerfüllung Nützliches erfahren haben. Sie haben sich gemeinsam über die Motivation junger Leute, insbesondere deren Risikoverhalten und Sucht ausgetauscht. Gute Strategien beim Ansprechen, der Gesprächsführung und dem Handhaben von Konflikten wurden gefestigt oder ggf. erworben. Bewährt hat sich besonders, dass bei dieser Fortbildungsrunde auch die Dienstgruppenleiter der Vollzugspolizei mitwirkten, weil dadurch die Zusammenarbeit und die Effektivität der im öffentlichen Raum für Sicherheit und Ordnung zuständigen Kräfte weiter verbessert wird. Der Bitte aller Teilnehmer folgend soll der Turnus der Fortbildung auf ein Jahr reduziert werden. PD Moog versprach, sich hierfür bei den Kommunen einzusetzen. Thema für 2014 sollten der Austausch und das Zusammenwirken von Ordnungs- und Vollzugspolizei sein.

Jürgen Moog

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