Juni 2011: Fortbildung für Ordnungspolizisten durch mobilen Sozialarbeiter

28 Ordnungspolizisten aus 10 Kommunen des Main-Taunus-Kreises (MTK) wurden im Juni an drei Tagen vier Stunden lang durch den Diplom Sozialpädagogen Markus Müller im Umgang mit Jugendlichen unterrichtet. Markus Müller hat in Frankfurt an dem Programm FRED (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) mitgearbeitet, war in der Jugendhilfe und –beratung im MTK tätig und arbeitet seit 2008 als Suchttherapeut im Zentrum für Jugendberatung und Suchthilfe im Rheingau-Taunus-Kreis.

Wie es zu der Beschulung kam

Bei der Analyse der Kriminalitätsstruktur der Kommunen des MTK fiel auf, dass dort, wo private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum eingesetzt wurden (vor allem, um junge Leute von zentralen Plätzen und Einkaufsstraßen fernzuhalten), die jugendtypischen Straftaten überproportional hoch vertreten waren. Aufgrund der begründeten rechtlichen Bedenken und nach intensiver öffentlicher Diskussion verzichteten nach und nach alle Kommunen des MTK auf den Einsatz privater Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum. Stattdessen wurden weitere Ordnungspolizisten eingestellt, zum Teil arbeitsvertraglich orientiert am zeitlichen Auftreten der jungen Leute, nämlich in den späten Abendstunden und am Wochenende.
Da die neuen Ordnungspolizisten nicht das gleiche machen sollten wie die privaten Sicherheitsdienste, indem sie die jungen Leute vertreiben, war es erforderlich, deren soziale Kompetenz zu erweitern. Sie sollten mit den jungen Leuten reden und den Grund für Belästigungen und Störungen erfragen. Thema sollten auch die Bedürfnisse der jungen Leute sein und wie man Konflikte handhabt. Der Vorschlag, für die Beschulung den Dipl. Sozialpädagogen Markus Müller vorzusehen, kam aus einer gemeinsamen Besprechungsrunde der mobilen Sozialarbeiter (mittlerweile 16) mit Vertretern der Polizei (PD-Leiter und PSt.-Leiter) im Main-Taunus-Kreis.
Nun galt es nur noch die Kommunen und im Besonderen die Ordnungsamtsleiter zu überzeugen. In einer Besprechung mit allen zwölf Ordnungsamtsleitern am 12.05.11 wurde entschieden, nicht nur die neuen sondern alle Ordnungspolizisten/-innen zu beschulen.
Da die Fortbildungsmaßnahme der Kriminalprävention diente, stellte der Präventionsrat des Main-Taunus-Kreises Raum, Arbeitsmittel und Versorgung im Landratsamt.
Die PD Main-Taunus übernahm die Terminierung und Koordination der Teilnahme an der Beschulung. Aufgrund von Lehrgängen, Urlaub und Krankheit waren es schließlich 28 von 48 Ordnungspolizisten/-innen, die am 15., 17. und 22. Juni an der Fortbildung teilnahmen.

Wie die Beschulung durchgeführt wurde

Rund 1½ Stunden nahm die Vorstellungsrunde in Anspruch, weil sie sich mitten im Thema bewegte. PD Jürgen Moog, der an allen Veranstaltungen teilnahm, erläuterte Anlass und Ziel der Fortbildung, und PR Karl-Erhard Spengler, Leiter der PSt. Eschborn, ergänzte bei einer Veranstaltung den Polizeipart. Markus Müller belegte bei seiner Vorstellung seine hohe Kompetenz im Umgang mit Jugendlichen mit Episoden aus seinem Berufsleben. Die zwei Ordnungspolizistinnen und 26 Ordnungspolizisten zeigten auf, wie sie in den Beruf fanden, welches Spektrum ihre Arbeit umfasst und welche Erfahrungen sie insbesondere mit jungen Leuten haben.

Foto 1: Vorstellungsrunde

Für einen Ordnungspolizist war der Beschulungstag der dritte Arbeitstag im neuen Beruf, der Dienstälteste ist bereits 26 Jahre Ordnungspolizist. Das Altersspektrum reicht von 26 bis 57 Jahren. Die meisten kommen aus dem Sicherheitsgewerbe, dabei waren jedoch auch Einzelhandelskaufmann, Landmaschinenhersteller, Gas-/Wasserinstallateur, Schwimmmeister, Bauzeichner und Berufsrennreiterin. Insgesamt sind alle zufrieden mit ihrem Beruf, beklagen aber die kurze Ausbildung von nur 6 Wochen, Defizite bei Rechts- und Handlungssicherheit sowie eine aus ihrer Sicht unzureichende Bestellung für ihre Aufgaben. Bis auf wenige Ausnahmen halten sie die Zusammenarbeit mit den Beamten der Polizeistationen für gut. Das Aufgabenspektrum, Einsatzzeiten und Vorgaben insbesondere zum Umgang mit Jugendlichen sind in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich. Zum einen werden Ordnungspolizisten, angepasst an das Auftreten junger Leute, in den späten Abendstunden und an Wochenenden eingesetzt; zum anderen wird der Streifendienst der Ordnungspolizisten weitgehend auf die Geschäftszeiten beschränkt und ein Einschreiten gegen Jugendliche untersagt.

Foto 2: Dipl. Sozialpädagoge Markus Müller clustert die benannten Eigenschaften der Jugendlichen

Richtig los ging es mit der Einschätzung von Eigenschaften der Jugendlichen. Auf Zuruf und meist kurzer bestätigender Diskussion durch den Teilnehmerkreis wurden die positiven und negativen Wertungen mittels Metaplan-Technik an einer Pinwand befestigt. In allen drei Veranstaltungen überwogen die negativen Eigenschaften ganz deutlich. Markus Müller brachte seine Erfahrungen und wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse ein, um einige der negativen Eigenschaften zu relativieren oder gar als Vorurteile einzuordnen. Vor allem sorgte er durch die Darstellung der von zunehmendem Leistungsdruck und Informationsüberflutung gestressten Jugendlichen sowie der Erläuterung typischer gruppendynamischer Abläufe und Einflüsse für ein besseres Verständnis für die jungen Leute.

Foto 3: Aufeinander zu gehen

Foto 4: Räumliche Distanz beim Gespräch

Danach wurden Gesprächsstrategien und Konfliktvermeidung,bzw. Konflikthandhabung behandelt. Hierzu ließ Markus Müller die Ordnungspolizisten aufeinander zu gehen, um über die richtige räumliche Distanz zu diskutieren – und zwar unter Berücksichtigung von ethnischen Unterschieden oder auch dem Bekanntheitsgrad. Es herrschte schließlich Übereinstimmung darüber, dass man den Abstand so wählen sollte, dass man – auch aus Eigensicherungsgründen – immer noch die komplette Person im Blick hat. Als Konflikt vermeidende Faktoren wurden das „Siezen“, die Begründung der Anwesenheit und das „Ernst nehmen“ der Jugendlichen ausgemacht. Wichtig ist dabei, dass eine Beziehung aufgebaut wird, damit die eigentlichen Gesprächsinhalte transportiert werden können. Hilfreich sind Blickkontakt, Geduld und Zielorientierung. Die Ansprache sollte kurz und klar sein und ggf. wiederholt werden. Frontbildung lässt sich vermeiden, wenn man sich hinsichtlich des Einschreitens auf eine höhere Autorität (Satzung der Stadt, Auftrag Bürgermeister, pp.) beruft. Keinesfalls sollte man Jugendliche vor ihrer Gruppe bloßstellen; Ziel führend ist vielmehr, wenn der betreffende Jugendliche zur Seite genommen wird, um den Sachverhalt und eventuelle Verhaltensmaßgaben zu besprechen.

Foto 5: Markus Müller zeigt Gesprächsstrategien auf

Foto 6: Entspannte Gesprächsatmosphäre

Die Vorgehensweisen wurden gemeinsam entwickelt, wobei die Ordnungspolizisten/ -innen aus ihrer Praxis eine Fülle von Beispielen bringen konnten, welche die Gesprächsstrategien eindrucksvoll bestätigten.

Fazit und Ausblick

Das Feedback der Ordnungspolizisten/-innen brachte den Fortbildungsveranstaltungen und insbesondere dem Dipl. Sozialpädagogen Markus Müller großes Lob und hohe Anerkennung, weil sie zum Umgang mit den Jugendlichen viel Interessantes und für ihre Aufgabenerfüllung Nützliches erfahren haben. Sie haben sich gemeinsam über das Ansprechen, die Gesprächsführung und das Handhaben von Konflikten ausgetauscht und so gute Strategien gefestigt oder auch erworben. Besonders betonten die Ordnungspolizisten/-innen, dass es erstmals zu einer gemeinsamen Fortbildung im MTK kam. Sie konnten sich austauschen und Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Defizite und Handlungsbedarfe ansprechen.

Foto 7: Teilnehmer der Beschulung am 22.06.11

PD Moog versprach, sich dafür einzusetzen, dass auch die restlichen 20 Ordnungspolizisten/-innen beschult werden und in noch festzulegendem Turnus (Vorschlag alle zwei Jahre) weitere Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt werden. Dabei sollten neben Ordnungsamtsleitern auch Dienststellen- und Dienstgruppenleiter der Polizei mitwirken. Hierin liegt eine große Chance, die Zusammenarbeit und Effektivität der im öffentlichen Raum für Sicherheit und Ordnung zuständigen Kräfte weiter zu verbessern. Ein großes Ziel hierbei ist es, den jungen Menschen mit mehr Verständnis und Professionalität zu begegnen und so die Lebensqualität für alle zu steigern.

Text und Bilder: Jürgen Moog, PD Main-Taunus

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