Februar 2010: Diskussionsnachmittag in Hattersheim mit jungen Migranten

Auf Einladung des Islamischen Vereins in Hattersheim besuchten die Migrantionsbeauftragte des Polizeipräsidiums Westhessen Döndü Yazgan und der Jugendkoordinator der Polizeidirektion Main-Taunus Uwe Thöne eine Diskussionsveranstaltung im Südringtreff.

Der Jugendleiter des Vereins, Herr Mesur Cetin, hatte am Sonntag, dem 07.02.2010, zu der Jugend-Präventionsveranstaltung eingeladen. Zu Beginn waren bereits 45 Jugendliche und junge Erwachsene anwesend. Nach dem Mittagsgebet kamen noch etwa 15 Väter hinzu. Bei der Vorstellung von Döndü Yazgan und Uwe Thöne wurde die Frage gestellt, was die Anwesenden von diesem Nachmittag erwarten. Zunächst waren Wortmeldungen nur sehr verhalten. Die Diskussion kam erst richtig in Gang, als von Uwe Thöne gefragt wurde, wie hoch der Anteil der jungen Leute zwischen 10 und 21 Jahren ist, die straffällig werden. Der Großteil der anwesenden Jugendlichen glaubte, dass es sich um einen Prozentsatz zwischen 40 und 80 % handeln würde. Diese Prozentsätze werden auch im schulischen Bereich sehr häufig genannt. Das macht deutlich, dass sich die jungen Menschen selbst als besonders auffällig einschätzen. Das ist insofern nachvollziehbar, weil sie ihre Grenzen immer wieder austesten und somit das Verbotene stärker wahrnehmen. Brennend interessierte sie natürlich, ob die Jugendlichen mit Migrationshintergrund öfter in Erscheinung treten als andere Jugendliche. Dies konnte hinsichtlich der Gewaltdelikte (insbesondere Raub und Körperverletzungen) bejaht werden.

Über diese Aussage gelangte die Diskussion zum Thema Gewalt in der Familie und deren Auswirkung auf das öffentliche Auftreten der Jugend. Ein Vater beschwerte sich, dass die Jungen, wenn sie mal als Erziehungsmaßnahme einen leichten Schlag bekämen, gleich mit der Polizei drohen würden. Döndü Yazgan erklärte dem Vater, dass in Deutschland andere Gesetze herrschen als in der Türkei. In der Türkei sei die körperliche Züchtigung noch eine erlaubte Erziehungsmethode. In Deutschland nicht mehr. Dazu kommt, dass die Jungen oft zu Paschas und kleinen Machos erzogen würden. Bekommen sie dann später ihren Willen nicht, erpressen sie ihre Eltern und drohen ihnen mit einer Anzeige, so ein Vater. Diese Ausführung wurde von einigen türkischen Mädchen bestätigt und dahingehend ergänzt, dass viele türkische Jungen sehr verwöhnt wären und dadurch immer höhere Ansprüche stellen würden. Die Jungen selbst hielten sich mit ihren Äußerungen zurück.

Es ist wichtig, dass bei den Erziehungsmaßnahmen immer wieder darauf hingewiesen wird, dass junge Leute zu Respekt gegenüber anderen erzogen werden sollen. Die Jugendlichen erwarten für sich Respekt, bringen aber anderen keinen entgegen.Beim Thema Internet und die Gefahren der neuen Medien kam es zu einer lebhaften Diskussion. Die Kontrolle durch die Eltern, als besten Filter für die Kinder, wurde vor allem von vielen Jungen strikt abgelehnt. Die Mädchen hatten keine Probleme damit. Mein Computer gehört mir, da kommen noch nicht mal meine Eltern dran, so die Aussage eines Jugendlichen. Es wurde klargestellt, dass der Computer mit dem Internetanschluss immer noch den Eltern gehört und so der Erziehungsgewalt unterliegt. Ein Herr stand prompt auf und sagte: Ich hole gerade noch meinen Enkel, damit auch der von dieser Veranstaltung profitiert.

Wer von Euch liest gerade ein Buch?, war eine der nächsten Fragen von Döndü Yazgan. Fast alle anwesenden jungen Frauen meldeten sich. Aber nur zwei junge Männer. Aus dem jungen Publikum kam die Bemerkung, dass die Eltern immer sagen, man solle lesen, was jedoch in den Familien nur selten vorgelebt würde. In dem Zusammenhang wurde von Döndü Yazgan erklärt, dass zu ihrem Entsetzen immer noch sehr viele türkische Mütter und Väter nur wenig oder gar kein Deutsch sprechen können, obwohl sie zum Teil schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben. Diese Tatsache sei auch ein Punkt, warum viele Migrantenkinder in der Schule nicht mit kommen. Ihnen kann von ihren Eltern meist nicht geholfen werden. Die wenigsten Eltern kontrollieren den Leistungsstand ihrer Kinder. Durch das Nachlassen der Leistungen in der Schule sind speziell die Jungen gefährdet, sogar der Schule fernzubleiben. Kommen noch falsche Freunde dazu, sind ihre Chancen auf ein späteres berufliches Fortkommen total verbaut. Dabei ist Bildung so wichtig so Döndü Yazgan. Den jungen Leuten empfahl sie, dass sie selbst tätig werden müssen, um für ihre Zukunft etwas zu erreichen.

Darüber hinaus wurde die Sorge der Eltern bezüglich des Drogenkonsums von Jugendlichen angesprochen. Durch die männlichen Jugendlichen wurde das Thema heruntergespielt. Sie sagten, dass zum Beispiel Schnaps überall zu kaufen wäre. Ja, aber nur für Erwachsene, wurde von Uwe Thöne klargestellt. Außerdem erklärte er den Anwesenden die Vorbeugungsmaßnahmen bei Veranstaltungen, bei denen Alkohol ausgeschenkt wird. Als Beispiel führte er die Zusammenarbeit der Veranstalter mit den Kommunen, der Polizei, den Geschäftsleuten sowie den Rettungsdiensten an. Hierbei kam das Thema wieder auf die falschen Freunde, die dann z.B. hergehen und für Minderjährige den Alkohol einkaufen würden. Nach zwei Stunden lebhafter Diskussion und konstruktiver Kritik wurde die hochinteressante Veranstaltung beendet. Die Anwesenden waren einhellig der Meinung, dass vor allem durch Gespräche und ehrliche Diskussionen eine Annäherung der Kulturen ermöglicht wird.

Aktualisierungsdatum : 11.02.2010
Autoreninformation: PDMT|Thöne über Yazgan und E4-L; eingest: AK

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